14. Februar 2022 - Karibik reloaded
Am Abend des 14. Februar stehe ich endlich wieder an Bord von randale nordic. Ein erster Blick in die Runde beruhigt, alles sieht gut aus.
Anfang Januar mussten wir überraschend zurück nach Deutschland, unsere Gesundheit hatte uns einen Strich durch unsere karibischen Pläne gemacht. Und als wir dachten, wir können unseren karibischen Traum fortsetzen, fing Britta sich das Virus mit C ein. Nachdem es Britta überstanden hatte, ging sie jeden Morgen in das städtische Testzentrum. Am Samstag dann endlich grünes Licht, der Test ist negativ! Wir buchen sofort einen Zug nach Paris, ein Hotel für eine Nacht und Flüge nach Martinique. Am Montag bringt uns der ICE schnell und bequem in die französische Hauptstadt. Wow, bis zu 130 Knoten schafft er. Das Hotel ist direkt gegenüber vom Bahnhof, das Zimmer ist klein, kuschelig und romantisch. Wir machen noch einen Spaziergang zur Sacre Coeur, schnaufen den Mont Matre hinauf und belohnen uns mit einem Abendessen in einem kleinen Restaurant. Achja, meine Brittifrau mit mir in der Stadt der Liebe, seufz...
Der Flieger hebt am Mittwoch pünktlich ab, knapp 8 Stunden später (5 Stunden bekommen wir durch die Zeitumstellung geschenkt) landen wir in Fort-de-France, nehmen für 70 Euro ein Taxi zur Marina und sind gegen 18 Uhr an Bord. Das Bier in der Bordbar hat Außentemperatur, 29 Grad. Aber wir sind beide glücklich und dankbar wieder hier sein zu dürfen.
Am nächsten Tag nehmen wir das Boot wieder in Betrieb. Segel und Sonnenpersenninge setzen, Wasser tanken, das Boot an den Strom anschließen. Der funktioniert erstmal nicht, aber nach 12 Jahren kenne ich ja die Mucken meines Greifswalder Mädchens. Ein bisschen rütteln hier, ein bisschen Kontaktspray da, und der Strom fließt wieder und auch der Kühlschrank springt an und bringt das Bier auf trinkbare Temperatur.
Wir nehmen Kontakt zu Blazenko auf. Er hatte in der Facebookgruppe „Martinique Cruisers“ einen Lift in die Grenadinen gesucht, um sich dort mit Freunden zu treffen. Ich hatte sofort aufgehorcht, als er das schrieb. Unser nächsten Ziel, Bequia, ist ca. 100 Seemeilen entfernt, was eine Nachtfahrt bedeutet. Und eine zusätzliche Wache mit Segelerfahrung können wir da gut gebrauchen. Blazenko ist Kroate und ist noch in Pula. Nachdem wir per WhatsApp die ersten Eckpunkte besprochen haben, stürzen wir uns gemeinsam in den „Online-Behördendjungel“. St. Vincent und die Grenadinen sind ein eigener Staat. Wir füllen Onlineformulare aus, schicken per Email Kopien unserer Reisepässe, Bootspapiere und Impfnachweise. Die Behörden von St. Vincent reagieren schnell. Aha, es ist noch ein PCR Test notwendig, nicht älter als 72 Stunden bei der Einreise. Eine knappe Kiste, wir warten schon 24 Stunden auf das Ergebnis und wir werden ca 20 Stunden für die Fahrt brauchen. Aber es klappt alles. Donnerstag steigt Blazenko in einen Flieger nach Paris und von dort nach Martinique und kommt Donnertagabend an Bord. Wir verstehen uns sofort, er ist sehr nett und unkompliziert. Lieber Blazenko, schön dass du an Bord bist! Am Freitag machen wir gemeinsam den PCR Test und bekommen einen Tag später das Testergebnis. Sonntagmorgen laufen wir aus, Kurs Süd.
Der Tag ist sehr sonnig und warm, wir setzen in der Bucht vor St. Anne das gereffte Großsegel und die Fock. Als wir aus der Windabdeckung von Martinique hinaus kommen, brist es auf. Der Passat erfasst uns raumschots mit 5 Windstärken - herrliches Segeln. „Alles gut, Mädchen ?“ „Alles sehr sehr gut“ schnauft randale nordic in ihre Bugwelle. Und auch die Crew ist zufrieden. Britta genießt das sonnige Wetter und die Wärme. Bereits mittags erreichen wir die Südspitze von St. Lucia. Leider auch ein selbstständiger Staat, so können wir die Insel nicht einfach anlaufen, sondern müssen in einem Rutsch weiter segeln. Wir passieren Orte mit klingenden Namen, die ich schon seit Jahren auswendig aus den Büchern kenne. Die Rodney Bay, Marigot Bay, Souffrier. Ich betrachte den ganzen Nachmittag die wunderschöne Insel, erkenne palmengesäumte Strände und grün bewachsene Berge. Gegen Abend passieren wir die Wahrzeichen der Insel, die beiden Pitons. Zwei spitze Berge, ca, 800 Meter hoch. Wir können in der Abendsonne schöne Fotos schießen und bereiten uns auf die Nacht vor.
Im St. Vincent Channel, dem freien Stück Atlantik zwischen St. Lucia und St. Vincent, brist es wieder ordentlich auf. Wir bergen die Fock vollständig, aber auch nur unter gerefften Großsegel erreichen wir Geschwindigkeiten bis zu 6 Knoten. Ich übernehme die erste Wache, gegen Mitternacht übernimmt Blazenko. Er ist ein erfahrener Segler, auch ohne große Einweisung kommt er mit dem Boot und dem Motor zurecht. Er ist sehr gnädig mit mir, und so kann ich bis 5 Uhr im Salon dösen, bevor ich wieder für die letzten Seemeilen die Wache übernehme.
Bereits auf Entfernung erkenne ich die 3 Milliardärsyachten, die in der Admirality Bay vor Anker liegen. Ich schätze die Länge der größten Yacht auf 70 Meter, die beiden beleuchteten Masten mit jeweils 5 Salingen erreichen eine ähnliche Höhe. Nachdem ich genug gegafft und gestaunt habe, nehme ich Kurs auf unseren Ankerplatz. Uns kommt ein Schlauchboot mit hoher Geschwindigkeit entgegen, fährt hinter uns eine Schleife und läuft parallel zu uns. Mit lautem Hallo begrüßt Andy von der Lust4Life seinen Segelbuddy Blazenko um uns dann einen guten Platz zum Ankern zu zeigen. Andy und Antonija sind auf einer 5-jährigen Weltumseglung und haben Blazenko ein paar Wochen an Bord. Die beiden sind sehr nett, laden uns gleich für den nächsten Abend zum Essen ein und begleiten uns bei den Behördengängen. Erst Health Clearing. Genau im richtigen Moment ist der Akku von meinem Iphone leer, auf dem die PCR Tests gespeichert sind. Schnell mit Honey, unserem Dinghy, zum Boot und die Powerbank geholt. Die grimmige Beamtin ist gut beschäftigt mit einer Crew, die ohne Tests eingereist ist. Sie fertigt uns nebenbei ab und wir bekommen einen Zettel. Damit können wir dann zu Customs und Immigrations. The house with the green Roof, gibt sie uns noch mit auf den Weg. Die Prozedur dort müssen wir leider zweimal durchlaufen, weil wir Blazenko von unserer Crewliste auf die der Lust4Life umtragen müssen. Als wir endlich die Stempel in unseren Pässen haben und mit jeder Menge Zetteln ausgestattet sind, ist der Vormittag rum.
Nachdem wir nun offiziell eingereist sind, schauen wir uns erstmal um. Wir sind sofort völlig begeistert von der kleinen Ortschaft. Port Elizabeth ist eine Mischung aus Disneyland und Karibik. Das Wasser der Admarility Bay ist türkisfarben, kleine pastellfarbene Häuschen säumen die Hauptstraße, die parallel zur Waterfront läuft. Shops, Restaurants und fliegende Obsthändler machen das Straßenbild perfekt. Britta und ich beschließen sofort, dass wir an diesem wundervollen Ort länger bleiben wollen. Abends besorgen wir uns dann noch Easter Caribian Dollars, die Währung im Süden der kleinen Antillen. Der Sonnenuntergang, zu dem wir eine kleine Bar mit Blick auf die Bucht ausuchen, rundet den Tag ab und wir klettern sehr zufrieden in unsere Kojen.
Wir bleiben 5 Tage auf Bequia, die Zeit verfliegt wie im Flug. Der Einladung zum Fischessen auf die Lust4Life folgen wir gerne. Wir bringen zwei Backmischungen deutsches Vollkornbrot und deutsches Bier mit. Der Fisch ist sehr lecker, Marlinfilet in Knoblauch gebraten. Davor, dazu und danach gibt es Rum. Mannomann, wir werden immer lustiger. Zum Glück geben uns die beiden eine Stirnlampe für den Rückweg mit, sonst würden wir vermutlich immer noch in der Admarility Bay nach randale nordic suchen.
Am nächsten Abend gehen wir gemeinsam zum Jamming in das Sailors Cafe. Life Musik vom feinsten. Die Stammband versteht sich wortlos, die Steeldrums, die Posaune und die Gitarren harmonieren perfekt. Immer wieder kommen Musiker mit ihren Instrumenten dazu, die sich integrieren oder auch solo Musik machen. Ich trinke mehr Rum Punch als ich wollte. Wir kommen erst sehr spät zurück an Bord.
Am 25. Februar gehen wir früh morgens Ankerauf, randale nordic läuft Kurs Süd. Und dann tauchen sie am Horizont auf, die Inseln, von denen ich jahrelang geträumt habe. Wir passieren Canouan, weiter weg sehe ich Mayreau, am Horizont Union Island. Bereits mittags erreichen wir die Salt Whistle Bay und gehen vor dem palmenumsäumten Strand vor Anker. Auch wenn das Wetter heute etwas grau ist, fühlt es sich großartig an. Ich habe das Gefühl, am Ziel meiner Reise zu sein. Ich kann es garnicht fassen, mit meinem kleinen Boot diese Inseln sehen zu dürfen. Und dabei meine Brittifrau, die auch die etwas rauheren Passagen zwischen den Inseln erträgt, damit meine Seglerseele Ruhe findet.
Tagsdrauf lichten wir sehr früh den Anker, die Ankerwinch holt ratternd die 30 Meter Kette an Bord. Britta steht vorn an der Winch, dirigiert mich von dort aus. Ein bisschen links, stopp, ok geht weiter. Ich helfe von hinten mit der Maschine mit, ohne Unterstützung müsste die Winch alleine das Boot gegen den Wind ziehen. Als der Anker an der Wasseroberfläche zu sehen ist, gibt Britta das Signal, dass das Schiff frei ist. Wir sind recht froh aus der Bucht zu manövrieren, die Nacht war sehr unruhig, es stand viel Schwell in der Bay.
Wir umrunden die Insel Mayreau im Norden und nehmen Kurs auf die Tobago Cays, die wir bereits nach einer Stunde unter Maschine erreichen. Der kleine Archipel ist der Inbegriff der Karibik. Durch ein riesiges hufeisenförmiges Riff geschützt liegen eine Handvoll unbewohnter Inseln in dem türkisblauen Wasser. Die Cays sind ein Naturparadies, bei unserem Schlauchbootausflug sehen wir Schildkröten und Rochen, die durch das glasklare Wasser ziehen. Abends gönnen wir uns dann einen gegrillten Lobster. Die einheimischen Fischer bieten ihren Fang an provisorisch aufgestellten Tischen an. „Big Mama“ steht auf dem Tshirt der netten Einheimischen, die die Beilagen zu dem Lobster zubereitet. Salat, gebratene Bananen und Yam Wurzeln, einfach nur köstlich. Wettergeschuldet sind wir die einzigen Gäste an diesem Abend, es nieselt immer wieder. Aber die Fischer tragen uns eine Bank und einen Tisch unter einen Baum, und so wird es ein ganz besonderes Essen.
Mit den Tobago Cays haben wir auch den südlichsten Punkt unserer Reise erreicht. Wir verlassen am nächsten Morgen früh unsere Boje, an der wir über Nacht festgemacht hatten. Beim Auslaufen aus dem Archipel kommt uns ein Kriegsschiff entgegen, begleitet von einem großen schwarzen Schlauchboot in voller Fahrt. Ich weiche respektvoll etwas nach Steuerbord aus, wollen die uns kontrollieren? Beim Näherkommen wundere ich mich dann über die große schwarze Fensterfront an dem Zerstörer, bis ich erkenne, dass es sich um eine Privatyacht handelt. Die „Bold“ ist 85 Meter lang und man kann sie für 875.000 Euro chartern. Die Woche! Aber dafür ist der Helikopter inklusive und immerhin kann man noch 11 Freunde mitnehmen. Solche Megayachten begegnen uns immer wieder in der Karibik. Riesige Segler und Motoryachten, jeweils hunderte von Millionen Euro teuer. Mich persönlich beeindruckt sehr die „Velsheda“, eine fast hundert Jahre alte Rennyacht der „J-Class“. Eine absolute Schönheit, hochglänzend, Teak, Mahagonie. Begleitet wird sie von der „Bystander“, einer 140 Fuß langen Motoryacht, auf der die Mannschaft nachts schläft. Echt eine Parallelwelt.
Von den Tobago Cays steuern wir wieder nordwärts. Nordwärts in den kleinen Antillen bedeutet immer gegen den Nord-Ost-Passat zu segeln. Gerade zwischen den Inseln pfeift es meist recht ordentlich und es baut sich eine ziemliche Welle auf. Aber unsere kleine Dreadnought kämpft sich auch hier durch. Für uns aber sind diese Passagen sehr anstrengend, das stundenlange Gegenangebolze zermürbt. Ich hatte mir tatsächlich Segeln in der Karibik chilliger vorgestellt. Aber es sind auf der anderen Seite auch wunderbare Momente, wenn das Schiff durch das tiefblaue Wasser pflügt und die Inseln in Luv vorbeiziehen.
Am Nachmittag erreichen wir wieder Bequia. Wir mögen diese Insel sehr. Ähnlich wie Martinique ist Bequia ein bunter Schmelztiegel von Religionen und Rassen.
Von den ca. 5000 Einwohnern sind auch ein erheblicher Teil Weiße. Alle Schichten leben hier in beeindruckend friedlicher Koexistenz ohne stark ausgeprägte hierarchische Strukturen. Und das prägt das Miteinander im Alltag. Die Menschen sind freundlich, hilfsbereit und entspannt. Wir verbringen nochmal zwei Tage auf der Insel, gehen in den Restaurants an der Waterfront essen, machen Erledigungen und klarieren am Ende bei Immigrations aus und erhalten unsere Ausreisepapiere.
Am 1. März gehen wir bereits morgens um 4 ankerauf und verlassen im Dunkeln unseren Ankerplatz. Mit Hilfe unserer ultrastarken Taschenlampe tasten wir uns aus der Admirality Bay und segeln nordwärts. Wir wollen den günstigen Ostwind nutzen und möglichst weit Richtung Martinique kommen. Als wir die Südspitze von St. Vincent erreichen, wird die See ruhiger und der Wind lässt nach. Wir passieren unter Maschine Wallilabou, wo große Teile von „Fluch der Karibik“ gedreht wurden. Von den Filmkulissen ist aber nicht mehr viel erhalten.
Zur Mittagszeit nehmen wir die Passage zwischen St. Vincent und St. Lucia in Angriff. Wind, Wellen und Strömung nehmen stark zu und so bergen wir das Großsegel und überbrücken die gut 20 Seemeilen des St. Vincent Channel unter Fock und mit Motorunterstützung.
Bereits von weiten sind die beiden Pitons im Süden von St. Lucia zu erkennen, den beiden ca. 800 Meter hohen spitzen Bergen im Süden der Insel, die auch das Wahrzeichen des Eilands sind. Die Insel ist wunderschön. Hohe, bewaldete Berge, Strände mit Palmen, hübsche Ortschaften an den Berghängen. Am Nachmittag laufen wir kurz in die Marigot Bay ein. Sicher einer der schönsten Ankerplätze der Karibik. Ein 1 Kilometer langer schluchtartiger Einschnitt ins Land, links und rechts bewaldete Hänge mit Villen, auf der Hälfte eine Sandbank mit 2 Dutzend Palmen. Ein karibischer Traum. Wir wollen hier aber nicht ankern, da wir in St. Lucia, einem eigenständigen Staat, nicht einklarieren wollen. Das Prozedere ist sehr umständlich, neben diversen Onlineformularen muss man bei der Einreise auch einen aktuellen PCR Test haben. So verlassen wir die Bucht wieder und motoren die letzten 10 Seemeilen in die Rodney Bay im Norden von St. Lucia. Wir ankern hier über Nacht ohne das Boot zu verlassen. Die Bucht ist sehr weitläufig, und so laufen wir auch nicht Gefahr kontrolliert zu werden.
Am nächten Morgen segeln wir zu unserem Liegeplatz in Le Marin. Das Wetter ist gnädig mit uns. Strahlendblauer Himmel und Ostwind mit Stärke 4. Doch noch perfektes Karibiksegeln. Randale nordic pflügt unter Vollzeug mit schäumender Bugwelle durch den St. Lucia Channel, bereits Mittags passieren wir die Rede von St. Anne, bergen die Segel und laufen in die Bucht von Marin ein. Es fühlt sich an wie ein nach Hause kommen. Wir erreichen unseren schönen Liegeplatz am Rand der Marina mit dem Blick auf die Mangroven, räumen das Schiff etwas auf und gönnen uns ein alkoholfreies Anlegebier. Der Ausflug in die Grenadinen war nur anderthalb Wochen lang, hat aber bei mir tiefe Eindrücke hinterlassen. Danke, dass ich diese Reise machen darf.