10. Juni 2017 - Kortgene Harwich - Tomorrow, Old England she sails...
Wir liegen in der Schleuse die uns aus dem Veerse Meer bringt. Wir segeln tatsächlich Richtung London!
Bereits vor 2 Wochen haben wir das Schiff in die Oosterschelde überführt, um leichter den Sprung über die Nordsee machen zu können. Wir, das sind mein alter Buddie Karl-Heinz, Valentin und ich.
Der Törn führte uns die Tage nach Himmelfahrt aus dem IJsselmeer bis nach Kortgene. Schöne Tagesetappen: Lelystad - Amsterdam, über IJmuiden raus in die Nordsee, den Bug nach Süden gerichtet. Der
Ebbstrom schob uns Richtung Ärmelkanal, herrlicher Segelwind, 9 Knoten Fahrt durchs Wasser. Als wir die Höhe Rotterdam erreichten, kenterte die Tide und die letzten Meilen nach Hellevoitsluis
hatten wir sie gegenan. Wir grillten den Abend spät und versuchten vergeblich den Hafenmeister zu finden. Wieder keine Dusche: So what. Die letzte Etappe führte uns die Staande-Maast-Route weiter
durch die Oosterschelde bis Kortgene. Dort, in der Deltamarina hat das Schiff 2 Wochen auf uns gewartet.
In der Schleuse spricht uns die Nachbaryacht an, woher, wohin? Ahh, nach London. Da fahrt ihr doch ganz falsch, ihr solltet nicht über Roompotsluis in die Nordsee sondern über Vlissingen. Mit
einem Auge schiele ich auf die Karte. Hmm, obenrum sieht für mich immer noch kürzer aus, aber ich komme ins Grübeln. Das Selbswertgefühl von Jani Supersegler ist eh gerade angekratzt. Ich habe
letztes Wochenende vergessen meinen Code Zero zu sichern. Ich finde ihn gestern in Fetzen am Vorstag baumelnd, der Sturm in der Woche hat ihn sehr gebeutelt. Wir nehmen die Reste vom Mast und
geben ihn Andrea mit, die uns zum Schiff gebracht hat. Es ist mir eine Lehre, doch immer wieder alles zu kontrollieren. Dusseljan.
Um 15.30 Uhr liegen wir endlich vor der Seeschleuse Roompot um in die Nordsee zu kommen. Die letzten Meilen liefen schleppend, weil wir Strom gegenan hatten. Aber irgendwas ist hier komisch,
direkt vor dem Schleusentor liegt ein riesiger Schwimmbagger. Karl-Heinz ruft die Schleuse über Kanal 68. Sie wir renoviert und ist bis zum 15.6. geschlossen. Na toll. Wir drehen das Schiff und
laufen wieder Richtung Kortgene. Die Stimmung ist trotzdem gut, weil wir einen perfekten Segeltag haben. Gegen 19 Uhr passieren wir wieder unseren alten Liegeplatz, den wir vor 8 Stunden
verlassen haben.
Der Weg führt uns weiter durch das friedliche Veerse Meer, bei Veere schleusen wir in den Walcheren Kanal ein. Wir haben einige Brücken in Middelburg und Vlissingen vor uns. Ich bin gespannt, ob
sie überhaupt noch für uns öffnen, es ist inzwischen 20 Uhr durch. Aber Karl-Heinz spricht auf Kanal 68 mit der Fachkraft für Brückenöffnung und so öffnet sich queitschend auch die
alte Drehbrücke in Middelburg.
Gegen 23 Uhr schleusen wir in die Westerschelde ein.
11. Juni 2017 - Kortgene Harwich - Ist die Nordsee eine Mordsee?
Die Schleuse senkt uns um 4 Meter ab, in Vlissingen ist Niedrigwasser. Als sich um 23 Uhr rumpelnd das riesige Schleusentor öffnet und wir in die Westerschelde motoren ändert sich die Atmosphäre
schlagartig. Nach den lieblichen Gewässern der Osterschelde und des Veerse Meer liegt nun die echte See vor uns. Kaum haben wir den Schleusenbereich verlassen zieht schon der erste Containerriese
an uns vorbei. Lotsen, Schlepper und andere Berufsschifffahrt überall. Ein riesiges Lichtermeer. Wir dampfen unter Maschine die Küste entlang Richtung offene See. Die Tide läuft uns mit bis zu 2
Knoten entgegen, sehr mühselig. Gegen 1.30 Uhr lösen wir uns langsam vom Land, Müdigkeit macht sich breit. Wir legen uns nacheinander ein Stündchen aufs Ohr und versuchen uns mit heißem Tee wach
zuhalten. Es wird kalt, lange Unterhosen und Handschuhe werden aus den Schaps gekramt. Gegen 4 beginnt die blaue Stunde, am Horizont beginnt die Dämmerung. Ich lege mich gegen 5 nochmal hin und
werde 3 Stunden später durch Geklapper in der Pantry wach. Im Cockpit scheint die Sonne bereits warm und Valentin zaubert ein britisches Frühstück: Eier, Speck und Tomaten. Saulecker! Die
nächsten Stunden erwartet uns traumhaftes Segeln. Sonne, halber Wind mit 3-4 Beaufort und eine mitlaufende Tide. Bei bis zu 8 Knoten segeln wir Richtung Britanien, setzen den Union Jack unter der
Steuerbordsaling und umsegeln die Windparks und Flachs.
Kurz vor Harwich beginnt es zu kacheln. Der Wind steht gegen die ablaufende Tide und erzeugt eine unangenehme Welle. Doch meine Dreadnought meistert wie immer die Situation und gegen 18 Uhr
laufen wir in die Minischleuse der Shotney Marina in Harwich ein. Gerade 4 Boote passen hinein, aber trotz heftigen Böen platzieren wir Nordi sicher. Der Hafenmeister knurrt uns an, warum wir
nicht reserviert hätten. Aber Karl-Heinz klärt das später mit seinem Charme, den er auch auf Englisch anwenden kann. Während Karl-Heinz und ich uns über Hafengebühren, Schleusenzeiten und
Wifi-Passwörter aufschlauen lassen zaubert Valentin ein Super Abendbrot. Schweizer Röstis mit Bratwurst, trotz fehlender Zutaten grandios improvisiert. Wir sind einfach nur glücklich, sitzen im
Cockpit, genießen das Essen und den Primitivo aus dem Weinschlauch.
Is this perfect? Of cause, my dear :-)
12. Juni 2017 - Harwich Shotley Marina - My first fish & chips
Lazy day. Wir stehen spät auf und sitzen lange am Frühstückstisch im Cockpit. Gegen 11 raffen wir uns endlich auf um mit der kleinen Fähre in den Ort Harwich zu fahren, der auf der anderen
Flussseite liegt. Wir stehen auf dem Ponton. Und nix passiert. Valentin erfährt von der Hafenmeisterin, dass die Fähre wegen starkem Wind heute nicht fährt. Dabei haben wir nur um die 4 Beaufort.
Naja, so what. Wir verholen uns in den Pub der direkt an der Marina liegt, er heißt bezeichnenderweise "the shipswreck". Wir bestellen 3 Portionen der britischen Standardernährung und trinken
dazu ein "Ghostship" aus der lokalen Adnams Brauerei. Beides lecker. Der Ausblick auf das gegenüberliegende Containerterminal ist amazing. Der Hafen ist der größte Containerumschlagplatz Englands
und so gibt es immer etwas zu schauen. Gegen 16 Uhr drehen wir eine kleine Runde durch den Hafen und widmen uns danach einem Beautysleep an Bord von randale nordic.
Zum Abendessen gibt es Lachs in Sahnesauce, zubereitet in der Bordküche, dazu einen gut gekühlten Weißwein aus Rheinhessen. Da uns an unseren 10000 Schritten noch gefühlte 9000 fehlen laufen wir
einen Weg den River Stour entlang. Die Abendstimmung ist traumhaft schön, die auflaufende Tide füllt den Fluß langsam wieder. Die Lichter der Containerterminals und Frachter spiegeln sich
spiegelglatten Wasser, very peacefull. Auf dem Rückweg kehren wir noch kurz in einen Pub ein. Ich entdecke gleich ein altes Sofa, setze mich in Ecke, versinke dort und lasse mir von Karl-Heinz
ein Bierchen mitbringen.
Viel passiert ist heute nicht, trotdem ein sehr schöner Tag. Good night.
13. Juni 2017 - Harwich Shotley Marina - River Orwell - Ein anderes Jahrhundert
Der Wind bläst sehr schwach und für London aus der falschen Richtung. And now? Wir bleiben noch einen Tag in Shotley Gate. Wir nutzen den Tag um über den River Stour nach Harwich zu fahren, mit
Honey, unserem Schlauchboot. Gegen 10 wird unser 2,70 Meter langes Schlauchboot aus der Marina ausgeschleust. Als einziges Boot in der Schleusenkammer. 15 Minuten später klettern wir ungelenk auf
die Pier von Harwich. Der Ort hat sicher schon bessere Tage erlebt, versprüht aber einen tollen, morbiden Charme. Seefahrts- und Fischereigeschichte pur, gepaart mit maritimer
Atmosphäre. Auf der Half Penny Pier genießen wir Nordseekrabben zum Selberpulen.
Nachdem wir unsere Einkäufe gemacht haben fahren wir mit dem Schlauchboot den River Orwell hinauf. Das erste Stück ist geprägt von der Geschäftigkeit des Containerterminals. Aber bereits nach der
ersten Flussbiegung erwartet uns eine völlig andere Welt. Der Fluss liegt breit vor uns, in der Mitte liegen Yachten an ihren Moorings, die Ufer sind geprägt von grünen Wäldern, Wiesen und
Schilfgürteln. Nach einer Stunde erreichen wir Pin Mil. Surreal. Ein kleiner Ort, vergessen von der Zeit. Kleine Weften, Schiffe die vor Anker liegen und ein Pub. Wir machen das Boot an einem
Steg fest, laufen durch diesen bezaubernden Ort und nehmen auf der Terrasse des Butt and Oyster einen Cappucino. Eine Gruppe junger Reiterinnen erscheint und galoppiert durch das seichte Wasser.
Ein Platz ursprünglicher Schönheit und entspannter Menschen. Um es mit den Worten von Karl-Heinz zu sagen: Nur schön.
Mit der ablaufenden Tide fahren wir zurück zur Shotley Marina, schleusen ein und machen am Heck von randale nordic das Schlauchboot fest. Die Rückfahrt war recht frisch, und so wärmen wir uns an
einem Schluck Obstler. Und an einem zweiten. Als ich mir meinen Pullover aus dem Vorschiff hole fällt mir der Karton mit Rotwein in die Hände. Als Karl-Heinz noch den Weißwein aus der Kühlbox mit
ins Spiel bringt, ist der Nachmittag vorbestimmt...
Gegen Abend kocht Valentin in der Kombüse ein wunderbares Chili con Carne. Der große Kochtopf ist gut gefüllt, aber es bleibt nix übrig. Sehr satt und sehr zufrieden machen wir noch einen Gang
über die Stege und bewundern Holzklassiker, moderne und schnelle Performance Cruiser und den Blick auf ablegende Containeriesen. Let`s call it a perfect day.
14. Juni 2017 - Harwich Shotley Marina - Queenborough . Möge die Tide mit dir sein
Bereits gestern Abend habe ich gerechnet. 8.10 Uhr Niedrigwasser in Sheerness ist 9.10 Uhr Bordzeit. Die Tide läuft aus de River Orwell etwas früher. Aber wir brauchen einlaufende Tide im
Themsedelta. Schlussendlich liegen wir 8.45 Uhr an der kleinen Tankstelle der Marina, bunkern Diesel und Gas und schleusen aus. Good journey ruft uns der Hafenmeister von seinem Turm überhalb der
Schleuse zu, thanks und goodbye. Der Plan geht auf. Die Tide schiebt uns an Harwich vorbei in die Nordsee. Wir erreichen trotz des schwachen Windes Geschwindigkeiten bis 9 Knoten. Lings und
rechts liegen immer wieder Sandbänke, die es zu umschiffen gibt. Aber wir erleben traumhaftes Segeln. Mittags zaubert Valentin einen wunderbaren Salat. Dazu wieder einen Schluck Rheinhessen.
Karl-Heinz scheint inzwischen genug geschlafen zu haben, er setzt seine Energie in Basteleien am Boot um. Der Relingsdraht wird neu gespannt und auch die Borduhr geht nicht mehr die
obligatorischen 10 Minuten nach. Die ganze Zeit schiebt uns der Gezeitenstrom unserem Ziel entgegen. Ich verleihe mir innerlich den heutigen Sonderpreis für ausgefeilte Tidennavigation. Bevor die
Tide kentert erreichen wir nach Ankündigung über Kanal 8 Queenborough Habour. Was man hier so Hafen nennt. Nachdem wir in den River Medway eingelaufen sind knickt das Fahrwasser nach 3 Meilen in
The Sword ab. Da liegen wir nun mitten im Fluß an einer Mooringstonne. Schön im eigentlichen Sinne ist es hier nicht. Das eine Ufer säumt eine Betonpier, das andere zeigt einen Blick auf ein
Kraftwerk und Ladekräne eines Containerterminals. Trotzdem genießen wir den Abend im Fluß treibend sehr. Wir sitzen bis zum Sonnenuntergang im Cockpit, lauschen Simon & Garfunkel, vertilgen
den Schweizer Wurstsalat von Valentin und erzählen viel.
15. Juni 2017 Queenborough - London . Sie haben ihr Ziel erreicht
Ich werde früher wach als sonst und stecke den Kopf aus dem Vorluk. Aber randale nordic liegt ruhig an ihrer Boje. Nach dem Frühstück steige ich mit Karl-Heinz ins Schlauchboot und wir motoren zu
dem Ponton, auf dem das Hafenbüro ist. Keiner da. Also laufen wir über den langen Steg in das Städtchen Queenborough. Ein kleiner, sehr netter Ort. Viele kleine Häuschen und ein kleiner Hafen der
komplett trocken fällt. Als wir zurück auf dem Ponton sind schnorren wir einen britischen Segler an, ob er einen Zettel und einen Stift hat. Wir falten das Papier, stecken 20 Euro hinein und
hinterlassen so unseren Gruß an den Hafenmeister.
Das Ablegemanöver von der Mooringboje klappt prima, und pünktlich zum auflaufenden Wasser laufen wir aus dem River Medway in die Themse ein. Wir brauchen ca. 6 Stunden bis London. Der Wind bläst
uns aus Westen entgegen , und so laufen wir die ganze Zeit unter Maschine. Besonders reizvoll ist das Ufer der Themse nicht, viel Industrie, Hafenanlagen und Containerterminals.
Auf der Höhe von Tilbury geht plötzlich ein großes Schlauchboot längsseits. Die Küstenwache fragt nach dem woher und wohin, gibt sich aber mit den Antworten zufrieden und dreht ab.
Am Nachmittag erreichen wir London. Was für eine Stadt. Einfach riesig, die Bauwerke, die Entfernungen. Wir überqueren den Null-Meridian bei Greenwich, sehen die O2-Arena und die Cutty Sark, die
in Greenwich liegt. Und dann Liegt sie vor uns: Die Towerbridge. Wir fühlen uns wie die Großen, machen Fotos und freuen uns riesig. Die Kulisse der Stadt ist grandios, alles sprüht vor Leben.
Direkt vor der Bridge liegt unser Hafen, Saint Katherine Docks. Wir schleusen nach der Anmeldung über Kanal 80 in die Marina ein. Was für ein Ort. Mitten in der City gelegen ist der Hafen mit
seinen 3 Becken ein beliebter Ort für die Londoner. Cafes, Restaurants und Pubs rund um das Hafenbecken.
Um 19 Uhr kommt Steffi an Bord, eine Nichte von Karl-Heinz die in London lebt. Wir gehen in eines der Restaurants das direkt am Hafen liegt. Das Ribeye haben wir uns verdient, sind wir doch auf
eigenem Kiel bis in die britische Metropole gesegelt.
Dann erreicht mich eine schlechte Nachricht. Unsere Parvane hat sich beim Fahrradfahren einen Arm gebrochen. Britta wäre eigentlich morgen früh um 6 Uhr zu mir nach London geflogen, aber sie muss
die Reise abbrechen. So mischen sich bei mir die riesige Freude über diese großartige Stadt mit der Trauer, dass meine Brittifrau nicht zu mir an Bord kommt und der Sorge um Parvanes Arm. Ich
habe gleichzeitig Hoch- und Niedrigwasser in mir, die Gezeiten in mir strömen. Feeling high and low heißt es in einem Lied, und das beschreibt es sehr gut.
16. + 17. Juni 2017 - Walking the streets of London
Wir fühlen uns sehr wohl auf unserem Liegeplatz. Der Freitagmorgen beim Frühstück läuft sehr entspannt. Bis wir feststellen, das Honey, unser neues Schlauchboot nicht mehr am Heck hängt. Das hat
mir gerade noch gefehlt, nach der Hiobsbotschaft das Britta nicht kommt und Parvanes Arm gebrochen ist. Valentin beginnt sofort den Hafen abzusuchen. Ich schlinge schnell mein Spiegelei runter
und mache mich auch auf die Socken. Am Steg der Schleuse sehe ich es dann, fest vertäut. Ich bin sehr erleichtert, es wieder zu haben. Ich glaube, ich muss mein altes Buch über Knotenkunde mal
raussuchen...
Danach laufen wir los, die Themse am Südufer entlang. Überall gibt es etwas zu entdecken. Viel Geschichte, irre Wolkenkratzer, Menschen aus allen Nationen. Big Ben ist unser Wendepunkt. Gegen 17
Uhr sind wir wieder an Bord. Ziemlich platt. Trotzdem raffen wir und noch auf und gehen einkaufen. Den Abend verbringen wir im Cockpit und schmeißen den Grill an, nach den vielen Eindrücken
reichen uns heute Abend die 10 Meter des Bootes aus.
Den Samstag nutzen wir für eine Bustour durch London, essen am London Eye einen riesigen Hotdog und trinken ein britisches Bitter. Die Sonne brennt heute erbarmungslos, die 30 Grad und der
wolkenlosen Himmel kommt uns sehr untypisch vor.
Als wir wieder an Bord sind, duschen wir uns mit dem Schlauch am Steg eiskalt ab. Gegen Abend werden die Temperaturen erträglicher und wir gehen noch um die Ecke zu einem Italiener und essen
einen Salat.
Wir haben für morgen früh um 7 unseren Schleusentermin. Der Hafen öffnet nur zweimal am Tag seine Tore, jeweils eine Stunde vor und nach Hochwasser.
17. + 18. Juni 2017 - London - IJmuiden Voll das Moderboot
Pünktlich um 6.50 werden wir vom Hafenmeister auf Kanal 80 in die Schleuse gerufen. Wir hatten uns am Tag vorher für die erste Schleusung angemeldet. Valentin geht bezahlen und den Stromadapter
zurück geben. Die Rechnung ist nicht so katastrophal wie für diesen Hafen erwartet hatten. Wir zahlen ca. 70 Pfund für die Nacht, ca. das 3-fache eines normalen Yachthafens, fühlen uns aber fair
behandelt. Karl-Heinz ruft bei der Tankstelle in der Themse an, wir brauchen noch Diesel, die Wetterberichte sprechen von schwachen Winden. Only a motherfucking answering machine. Die
Schleusenwärterin berichten, dass dort Sonntags nicht gearbeitet wird. Na klasse. Wir dürfen das Boot in der Schleuse liegen lassen, packen die Bordfahrräder aus und fahren mit 2 Kanistern zu
nächsten Autotankstelle.
Dann geht es raus auf die Themse, ein letzter Blick auf London, das Baguette von der Tankstelle ist ein prima Frühstück. Der Strom schiebt ordentlich mit, wir erreichen Geschwindigkeiten bis 9,5
Knoten. Östlich von London passieren wir dann eine riesige Müllverbrennungsanlage, die Valentin gebaut hat. Es ist sehr heiß und wir spannen die Persenninge des Bimini über das Cockpit.
Im Themsedelta kentert dann die Tide, es geht sehr langsam voran als wir nordwestlich Richtung Nordsee motoren. Alles etwas tricky, wir umrunden zahlreiche Flachs und Untiefen, 2 riesige
Windparks und versuchen mit Hilfe von AIS die Großschifffahrt im Blick zu behalten. Über die UKW-gestützte Schiff-Schiff-Verbindung kann man kontrolliert seinen Kurs setzen, der Plotter
zeigt die Schiffe als kleine Dreiecke. Tippt man sie an, werden Kurs und Geschwindigkeit angezeigt. Extrem hilfreich.
Gegen 22 Uhr bereiten wir Nordi für die Nacht vor. Ich übernehme die erste Wache und darf den Sonnenuntergang erleben. Karl-Heinz kommt zur Hundewache gen 00.30 Uhr aus seiner Koje gekrochen. Wie
immer mit lauten Gegähne. Valentin sagt dann immer, es hört sich an als wäre man am Sambesi, wenn die Flusspferde erwachen.
Ich lege mich hin und habe pünktliche zum Sonnenaufgang meine nächste Schicht. Wir motoren immer noch. Wir haben einen Dieseltank mit 120 Litern, und die Maschine braucht bei 5 Knoten Fahrt ca. 2
Liter/Stunde. Müsste bis Holland reichen.
Um 9 Uhr haben wir noch gut 50 Meilen vor uns. Das Handy hat wieder Empfang und ich schicke eine WhattsApp Nachricht an die family.Gegen Mittag können wir dann endlich segeln. Der Wind kommt mit
10 Knoten aus Nord und wir können genau IJmuiden anliegen. Traumhaftes Segeln. Kurz vor dem Ziel können wir uns kaum durchringen die Maschine wieder zu starten, geht doch die Fahrt damit zu Ende.
Aber wat mut dat mut, und so laufen wir gegen 19 Uhr in die Marina ein. Wir klönen ein wenig mit dem Nachbarboot, gehen essen und beenden den Abend an Bord mit einem Espresso...
20. Juni 2017 - IJmuiden Volendam - Nordseekanal und Gegenan
Wir verlümmeln den ganzen Vormittag in IJmuiden, frühstücken lange, gehen duschen und bunkern Wasser. Gegen Mittag kommen wir dann los. Das Einschleusen durch die Seeschleuse geht zügig, wir
werden zusammen mit einem kleinen Tankschiff geschleust. Dann sind es ca. 10 Seemeilen auf dem Nordseekanal bis Amsterdam. Unglaublich viel Berufsschifffahrt fährt uns um die Ohren. Valentin am
Ruder behält auch die Ruhe, als uns in Amsterdam gleichzeitig 2 Frachter überholen, 3 entgegen kommen, 4 Fähren quer durch das Fahrwasser fahren und zahlreiche kleine Schiffe uns umkreisen. Vor
der Oranjesluis, die uns ins Markermeer bringt, legen wir kurz an, werden dann aber schnell abgefertigt. Im Markermeer erwartet uns dann Wind gegenan. Wir kreuzen auf bis Marken, eine unangenehm
steile Welle läuft uns entgegen. Als der Windmesser 5 Beaufort anzeigt, reffen wir das Großsegel und sind froh als wir auf Höhe des Leuchtfeuers Marken abfallen und Kurs auf Volendam nehmen
können. Wir finden in Volendam einen tollen Liegeplatz an der Außenmole, bezahlen unser Hafengeld am Automaten und gehen essen. Valentin und Karl-Heinz vertilgen einen riesigen Topf mit
Miesmuscheln, ich lasse mir ein Steak schmecken.
21. Juni 2017 - Volendam Hoorn - Ich hasse Seegras
Unser Tagesziel ist das nur 10 Seemeilen entfernte Hoorn, Namensgeber für das legendäre Kap Hoorn an der Südspitze Südamerikas. Wir bummeln die wenigen Seemeilen vor uns hin. Aber irgendwie wird
das Boot immer langsamer. Wir sehen, dass in dem nur 3 Meter tiefen Wasser Seegrasfelder bis an die Oberfläche wachsen. Wir bergen die Segel, legen das Schiff vor Anker und Karl-Heinz taucht
unter das Schiff, um das Gras vom Ruder, dem Kiel und der Schraube zu entfernen. Wenige Seemeilen vor dem Hafen müssen wir das Manöver noch einmal wiederholen, wir haben mit der Schraube Seegras
aufgewickelt wie Spaghetti auf der Gabel. Gut, dass Karl-Heinz so eine Wasserratte ist und uns aus der misslichen Lage befreit. Ich hasse dieses Mistzeug, es ist, als würde mach durch Gemüsesuppe
segeln.
In Hoorn finden wir wieder einen tollen Liegeplatz, direkt an einem Park gelegen, mit Blick auf den Hafen und die wunderschöne alte Stadt. Valentin verschwindet in der Kajüte. Es gibt
Bratkartoffeln mit Speckböhnchen zu unserem Nieuwe Haring, dem Matjes, den wir morgens noch in Volendam gekauft hatten. Karl-Heinz und ich fummeln noch etwas am Schiff rum, befreien das
verklemmte Schiebeluk und kratzen wieder ein paar Quadratzentimeter verschmierte Grundierung von der letzten Fenstermontage vom Aufbau.
Am Abend machen wir noch einen Spaziergang durch die Altstadt, trinken einen Cappuccino und wegen der Malariagefahr Gin Tonic. Nach den langen Etappen nach England genießen wir sehr das
idyllische Geschehen hier in Holland. Wir haben Sommerwetter pur, viel Sonne und Wärme. Am Horizont kann ich bereits den Wasserturm von Lelystad erkennen, unser Tagesziel für morgen, nur 3
Segelstunden entfernt und der derzeitige Heimathafen von Nordi.
22. Juni 2017 - Hoorn Lelystad - Going home
Die letzte Etappe steht an. Routiniert legen wir morgens ab, nach den zwei Wochen weiß jeder von uns, was er tun hat. Karl-Heinz und Valentin handeln die Leinen, ich stehe am Ruder. Noch im
Hafenbecken setzen wir Segel, passieren die Molenköpfe der Hafeneinfahrt und nehmen direkt Kurs auf unseren Heimathafen. Ich mache die mechanische Selbststeueranlage klar, senke das Servoruder
ins Wasser und richte die Windfahne aus. Das Wunderwerk der Mechanik hält das Schiff sicher auf Kurs. Läuft das Schiff aus dem Kurs, lenkt die nachdrehende Windfahne das Servoruder in eine
Position, in dem es genug Kraft erzeugt um über die Steuerseile das Steuerrad zu drehen. Ich kann dieser Konstruktion stundenlang bei der Arbeit zusehen.
In Lelystad erwartet uns die letzte Schleusung. Anweisung an die Crew sind kaum noch nötig, die Fender hängen inzwischen auch so in der richtigen Höhe in der richtigen Position. Ein letztes
Anlegemanöver und die Reise ist vorbei. Wir sind alle ein wenig wehmütig, haben wir doch so viele Eindrücke mitnehmen können. Wir vertilgen Abends die letzten Vorräte und gehen schlafen, als
Andrea an Bord kommt um uns am nächsten Morgen in die Heimat zu bringen. Und nun? Wie gehts weiter? Wir haben uns schon auf der Reise immer wieder in die Augen geschaut und sind uns sicher, auch
einige der nächsten Etappen gemeinsam zu segeln. Also: Going Guernsey...